Seit dem Schuljahr 2017/2018 bietet das EBG eine bilinguale Profilklasse an. Die Klasse 5a hat im Rahmen eines bilingualen Moduls im Fach Politik/Wirtschaft nun erste Erfahrungen mit bilingualem Lernen gesammelt und in diesem Kontext Besuch von Lisa Kapteinat, MdL, bekommen.
Zusammen mit Herrn Unger untersuchten die 25 Schülerinnen und Schüler der Klasse im Rahmen der Unterrichtsreihe „Leben wir alle in einer Welt? – Lebensbedingungen von Menschen in Industrie- und Entwicklungsländern“ nicht nur Merkmale von Industrie- und Entwicklungsländern, sondern auch die Lage der Kinderrechte in eben diesen. Dabei spielte das Fallbeispiel Malawi eine zentrale Rolle, um ausgehend von Beispielen für Kinderrechtsverletzungen begründete Positionen und Vorschläge zu entwickeln, wie die Situation von Kindern weltweit verbessert werden könnte.
Das Beispiel Malawi wurde bewusst ausgewählt: Auf Vermittlung ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Nora Zerta (Abitur am EBG im Jahr 2014), besuchte Lisa Kapteinat, MdL, (Abitur am EBG 2008) über Pfingsten das afrikanische Land, um vor Ort ein Projekt zu unterstützen, dass sich um die Digitalisierung von Schulen kümmert. Ihr Anliegen: Mit Hilfe von Videos aus Deutschland sollten die Schülerinnen und Schüler in Malawi einen Eindruck von Interessen, Hobbies und Bedürfnissen (etwa) gleichaltriger Schülerinnen und Schüler aus Deutschland, genauer: aus Castrop-Rauxel, der Heimatstadt Kapteinats und Zentrum ihres Wahlkreises, bekommen. Im Austausch sollten Videos aus Malawi die interkulturelle Perspektive der deutschen Schülerinnen und Schüler erweitern.
Am 04.07.2018 konnte es nun im Klassenraum der 5a zu einem intensiven Erfahrungsaustausch kommen: Nach einer herzlichen Begrüßung durch Schulleiter Dr. Friedrich Mayer berichtete Lisa Kapteinat unter Rückbezug auf verschiedene englischsprachige Videos, die den Schülerinnen und Schülern der 5a mittels Smartboard präsentiert wurden, von ihren Erfahrungen in Malawi. Dabei kamen vielfältige kulturelle Unterschiede ans Licht: Die Schülerinnen und Schüler fanden z.B. heraus, dass Kapteinat ein Mädcheninternat besucht hat, für das die Eltern – wie für andere Schulen ebenfalls – Schulgeld entrichten müssen. Die Schülerinnen tragen Schuluniformen, haben durchweg kurze Haare, bekommen in der Schulmensa täglich Maisbrei und Grünkohl, haben bis in die Abendstunden Unterricht und leben weit entfernt von ihren Familien.
Durch die Tatsache, dass Malawi Englisch als Verkehrssprache nutzt, konnten die Schülerinnen und Schüler der 5a Kapteinat durch ihr sehr detailliertes Hör-/Sehverstehen beeindrucken. Auch Stephanie Knaup, Englisch- und Klassenlehrerin der 5a, nutzte die Gelegenheit und begleitete die Stunde. Sie freute sich ebenfalls über die bereits sehr profunden Englischkompetenzen ihrer Klasse, die gezielt genutzt werden konnten, um im bilingualen Unterricht im Fach Politik/Wirtschaft mit Hilfe der Videos erste Erfahrungen in der Sprachmittlung zu machen.
Natürlich gab es viele Fragen: Eine Frage nach der Währung Malawis konnte Kapteinat durch ihre Erfahrungen anschaulich beschreiben: „1 Euro entspricht etwa 845 Kwacha, die größte Banknote ist ein 2000 Kwacha-Schein, d.h. mein Mann kam mit einer Tasche voller Geld aus der Wechselstube.“ Während viele Schülerinnen aus Malawi in den Videos betonten, dass sie in ihrer Zukunft studieren und beispielsweise Ärztinnen und Agrarökonominnen werden möchten, stimmten die Schilderungen des Alltags vor Ort die jungen Fünftklässlerinnen und Fünftklässler des EBGs nachdenklich: Stundenlange Stromausfälle, schlaglochübersäte Straßen, eine hohe Malariagefährdung, Zwangsheiraten minderjähriger Mädchen sowie eine sehr lückenhafte medizinische Versorgung – Probleme, die zuvor im Unterricht zwar besprochen wurden, aber nun durch die detaillierten Reiseerfahrungen Kapteinats emotional veranschaulicht wurden.
Auch die Lage der Kinderrechte wurde anhand verschiedener Beispiele, u.a. Bildung (Für wie viele Kinder kann eine Familie das Schulgeld aufbringen?), medizinische Versorgung (Krankenhäuser und Fachärzte sind v.a. auf dem Land sehr rar) und Zwangsheiraten minderjähriger Mädchen, problematisiert. Kinder, die am Straßenrand sitzen und versuchen zu verkaufen, was sie gerade so zur Verfügung haben? Leben „von Tag zu Tag“, ohne feste Tagesabläufe und berufliche Zwänge, aber auch ohne Gewissheit, wie am nächsten Tag die durchschnittlich 5,5 Kinder pro Familie satt werden sollen? Für die Schülerinnen und Schüler der 5a eine fremde Welt, aber dennoch Teil der „einen“ Welt, in der wir alle leben. Es war, da waren sich alle Schülerinnen und Schüler einig, ein interkulturell erkenntnisreicher Tag, der zum Nachdenken anregte, und die Ergebnisse des bilingualen Unterrichts im Fach Politik/Wirtschaft durch weitere Perspektiven bereicherte.
Tim Unger, StD